BA‑X im Mai 2025: Deutlicher Rückgang

Der Stellenindex BA‑X der Bundesagentur für Arbeit ist im Mai 2025 auf 100 Punkte gefallen. Das bedeutet einen deutlichen Rückgang um 5 Punkte gegenüber dem Vormonat und liegt ganze 11 Punkte unter dem Niveau von Mai 2024. Damit markiert der aktuelle Wert einen neuen Tiefstand für das laufende Jahr und bestätigt eine sich verschärfende Zurückhaltung bei der Arbeitskräftenachfrage in Deutschland: Der Arbeitsmarkt hat offensichtlich ein massives Problem.

Stellenindex im Abflug
Arbeitsmarkt Deutschland 2025

Rückgang nach Sondereffekt: Korrektur des Aprilhochs

Der starke Rückgang im Mai ist nicht nur saisonal bedingt, sondern spiegelt vor allem eine Korrektur eines kurzfristigen Sondereffekts im April wider. Im Vormonat war der Index auf 105 Punkte gestiegen – allerdings nicht aufgrund eines realen Booms, Experten sehen die Ursache in einem administrative Effekte und Nachmeldungen von offenen Stellen, die den Index künstlich nach oben getrieben hatten.

Mit dem Abflauen dieses Einmaleffekts zeigt sich erst jetzt die tatsächliche, trübe Lage: Eine spürbare Abkühlung der Nachfrage nach Arbeitskräften, wie sie sich bereits seit mehreren Monaten andeutet.

Branchenspezifische Entwicklung: Kaum Lichtblicke

Besonders betroffen von der schwächeren Entwicklung sind zahlreiche Dienstleistungsbranchen, die typischerweise besonders unter einer Verunsicherung der Konsumenten und Unternehmen leiden:

  • Qualifizierte Unternehmensdienstleistungen wie Beratung oder IT-Dienstleistungen
  • Das Gastgewerbe, das bereits im Frühjahr mit rückläufigen Buchungszahlen zu kämpfen hatte
  • Der Einzel- und Großhandel, der die Konsumzurückhaltung besonders deutlich zu spüren bekommt
  • Information und Kommunikation, eine sonst oft wachstumsstarke Branche

Lediglich der öffentliche Dienst konnte im Jahresvergleich einen leichten Zuwachs verzeichnen – vermutlich getrieben durch Stellenbesetzungen im Bildungs- und Gesundheitswesen.

Historische Einordnung: Abstand zum Hoch ist groß

Im Vergleich zum Allzeithoch im Mai 2022 mit 138 Punkten liegt der aktuelle Index um 38 Punkte niedriger. Das zeigt, dass die Arbeitskräftenachfrage in Deutschland derzeit deutlich unter Vorkrisenniveau verharrt.

Im Jahresverlauf 2025 bleibt der BA‑X bislang unter dem Vorjahresniveau:

  • März: 103 Punkte (–10 zum Vorjahr)
  • April: 105 Punkte (Sondereffekt)
  • Mai: 100 Punkte (–11 zum Vorjahr)

Diese Entwicklung deutet auf eine anhaltende strukturelle Schwäche hin, nicht nur auf kurzfristige Schwankungen.

Ursachen: Wirtschaftslage, Unsicherheit, Zurückhaltung

Die Gründe für die schwache Entwicklung sind vielfältig:

  • Konjunkturelle Unsicherheit, etwa durch geopolitische Spannungen und schleppende Investitionen
  • Sparmaßnahmen vieler Unternehmen, die bei Neueinstellungen zögern
  • Demografische Effekte: Während der Fachkräftemangel langfristig bleibt, werden offene Stellen aktuell weniger gemeldet oder langsamer besetzt

Zudem ist ein Teil der Zurückhaltung wohl auch durch die abwartende Haltung vieler Betriebe bei der Digitalisierung und Transformation bedingt – Investitionen in neue Projekte verzögern sich, was sich direkt in geringerer Stellennachfrage niederschlägt.

Fazit: Arbeitsmarkt unter Druck – Zeit für gezielte Maßnahmen

Der deutliche Rückgang des BA‑X im Mai 2025 ist ein klares Signal: Der deutsche Arbeitsmarkt kühlt sich ab. Unternehmen halten sich mit Neueinstellungen zurück, viele Branchen spüren die konjunkturelle Schwäche deutlich. Damit wächst der Druck auf die Politik, den Arbeitsmarkt gezielt zu stützen – etwa durch Investitionsanreize, Weiterbildungsoffensiven oder Maßnahmen zur Digitalisierung im Mittelstand.

Wer sich beruflich neu orientieren oder als Unternehmen Fachkräfte gewinnen möchte, sollte die aktuelle Entwicklung genau beobachten – und strategisch reagieren, bevor sich die Lage weiter verschärft.

Keine Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt

Die saisonbereinigten Daten zum deutschen Arbeitsmarkt im April 2025 zeigen nur geringfügige Veränderungen. Zwar ist ein Rückgang der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat erkennbar, jedoch fällt dieser im Rahmen der üblichen Frühjahrsbelebung schwächer aus als in früheren Jahren. Laut Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, „ändert sich die Lage saisonbereinigt nur wenig“. Die Frühjahrsbelebung – traditionell eine Phase zunehmender Beschäftigung – bleibt somit auch 2025 eher verhalten.

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit um 36.000 auf insgesamt 2,932 Millionen Menschen zeigt, dass saisonale Effekte wie verbesserte Witterungsbedingungen und steigende Nachfrage in bestimmten Branchen (z. B. Bau, Gastronomie, Landwirtschaft) zwar wirken, aber nicht ausreichen, um die Gesamtentwicklung positiv zu beeinflussen. Saisonbereinigt, also unter Herausrechnung jahreszeitlich bedingter Effekte, ist die Arbeitslosenzahl sogar leicht gestiegen – um 4.000 Personen.

Arbeitsmarkt Deutschland 2025
Der Arbeitsmarkt in Deutschland sieht im Frühjahr 2025 nicht rosig aus

Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich weiterhin erhöht

Im Vergleich zum April 2024 zeigt sich ein negativer Trend: Die Zahl der Arbeitslosen liegt aktuell um 182.000 über dem Vorjahresniveau. Auch die Arbeitslosenquote, die nun bei 6,3 % liegt, stieg gegenüber dem Vorjahr um 0,3 Prozentpunkte an. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass strukturelle Faktoren – wie konjunkturelle Schwächen, Transformation in Industrie und Handel sowie geopolitische Unsicherheiten – den Arbeitsmarkt stärker belasten als noch vor einem Jahr.

Besonders alarmierend: Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet in seiner aktuellen Konjunkturprognose für das Jahr 2025 einen weiteren Anstieg der Arbeitslosenzahl auf rund drei Millionen Menschen bis zum Sommer. Das wäre der höchste Stand seit 2010 – ein deutliches Warnsignal für Politik und Wirtschaft.

Unterbeschäftigung und verdeckte Arbeitslosigkeit

Ein umfassenderes Bild vom Zustand des Arbeitsmarkts ergibt sich bei Betrachtung der sogenannten Unterbeschäftigung. Diese Kennziffer schließt neben der registrierten Arbeitslosigkeit auch Personen ein, die an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnehmen oder kurzfristig arbeitsunfähig sind. Im April 2025 lag die Unterbeschäftigung bei 3,638 Millionen Menschen – ein Anstieg um 69.000 im Vergleich zum Vorjahr. Saisonbereinigt ist sie allerdings leicht um 3.000 Personen zurückgegangen.

Die hohe Zahl verdeutlicht die verborgenen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt: Viele Menschen gelten formal nicht als arbeitslos, befinden sich aber dennoch nicht in regulärer Erwerbstätigkeit. Diese sogenannte „verdeckte Arbeitslosigkeit“ bleibt ein strukturelles Problem, das durch wirtschaftliche Unsicherheit und branchenspezifische Umbrüche verschärft wird.

Kurzarbeitergeld: Rückgang gegenüber Vormonat, Anstieg zum Vorjahr

Ein weiteres wichtiges Instrument zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes ist das konjunkturelle Kurzarbeitergeld. Es ermöglicht Unternehmen, vorübergehende Auftragsrückgänge zu überbrücken, ohne Beschäftigte entlassen zu müssen. Im Februar 2025 – den aktuellsten verfügbaren Daten zufolge – erhielten rund 244.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld. Das sind 14.000 weniger als im Januar, aber 43.000 mehr als im Februar 2024.

Der Anstieg im Jahresvergleich deutet auf eine wieder zunehmende Inanspruchnahme dieser Maßnahme hin, was auf anhaltende Unsicherheiten in bestimmten Branchen – etwa im verarbeitenden Gewerbe oder im Einzelhandel – hindeutet. Gleichzeitig zeigt der Rückgang gegenüber dem Vormonat eine mögliche Stabilisierung auf niedrigem Niveau.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung steigt leicht

Positive Impulse kommen von der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, die nach aktuellen Hochrechnungen der BA von Januar auf Februar 2025 um 12.000 Personen zugenommen hat. Im Jahresvergleich ergibt sich ein Plus von 67.000 Beschäftigten auf insgesamt 34,84 Millionen. Dieses moderate Wachstum zeigt, dass trotz konjunktureller Schwäche weiterhin neue Arbeitsplätze entstehen, wenn auch in geringerem Tempo als in Boomphasen.

Besonders in dienstleistungsorientierten Branchen wie Gesundheit, Bildung und IT werden weiterhin Arbeitskräfte gesucht. Dagegen zeigen sich in Industrie, Bau und Handel schwächere Entwicklungen – was sich mit den düsteren Erwartungen des IW deckt, das für 2025 einen weiteren Rückgang der industriellen Wertschöpfung und der Bauleistungen prognostiziert.

IW-Konjunkturprognose: Deutschland bleibt in der Rezession

Laut der aktuellen Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird die deutsche Wirtschaft im Jahr 2025 um 0,2 Prozent schrumpfen – als einzige große Volkswirtschaft weltweit. Während der Euroraum um 0,8 Prozent und die USA sogar um 1,3 Prozent wachsen, bleibt Deutschland in der Rezession. In China wird mit einem Wachstum von vier Prozent gerechnet.

Ursachen für die schwache Entwicklung sind unter anderem die hohe Bürokratiebelastung, teure Standortkosten, zögerliche Investitionen sowie die Auswirkungen der US-Zollpolitik. Besonders die Industrie und das Baugewerbe leiden unter hohen Energiekosten, steigenden Löhnen und umfangreichen Regulierungen. Die Zahl der Erwerbstätigen sinkt bereits seit Mitte 2024 – mit deutlich spürbaren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

IW-Konjunkturchef Michael Grömling sieht politischen Handlungsbedarf: „Die neue Regierung hat es jetzt in der Hand. Eine Trendwende ist möglich und überfällig.“ Hoffnung liegt auf dem geplanten Infrastruktursondervermögen und schnelleren Planungsverfahren. Nur mit mutigen Reformen lassen sich neue Impulse für Beschäftigung und Wachstum schaffen.

Fazit: Geringe saisonbereinigte Dynamik trifft auf wirtschaftliche Rezession

Der Arbeitsmarkt im April 2025 zeigt sich trotz leichter Verbesserungen angespannt. Die saisonbereinigten Zahlen signalisieren Stagnation, während die konjunkturelle Gesamtlage weiterhin schwierig ist. Die IW-Prognose bestätigt: Deutschland steckt in einer Rezession, mit steigender Arbeitslosigkeit und schwachem Beschäftigungszuwachs. Die Entlastungsversprechen der neuen Regierung könnten dringend benötigte Impulse liefern – vorausgesetzt, sie werden zügig und wirkungsvoll umgesetzt. Die neue Bundesregierung hatte ja bereits angekündigt, die Vermittlung in den Arbeitsmarkt stärken zu wollen – und weniger auf reine Qualifizierungsmaßnahmen zu setzen. Jetzt wäre der passende Moment, um sinnvolle Instrumente wie den AVGS zu stärken!

Was plant Kanzler Merz für den Arbeitsmarkt?

Deutschland hat einen neuen Kanzler! Mit Friedrich Merz ist wieder ein Unionspolitiker am Steuer. Aber das Arbeitsministerium wird wie gehabt von einem SPD-Politiker geführt, genauer gesagt einer Dame: Bärbel Bas.

Fünf Punkte, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden und die einen Bezug zum AVGS haben:

1. Stärkung der Vermittlungsaktivitäten

Die Koalition plant, den Vermittlungsvorrang für erwerbsfähige Leistungsberechtigte wieder einzuführen. Das bedeutet, dass die schnelle Vermittlung in Arbeit gegenüber Qualifizierungsmaßnahmen priorisiert wird. Ziel ist es, Arbeitsuchende zügig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.


2. Einsatz von Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheinen (AVGS)

Der AVGS bleibt ein zentrales Instrument zur Unterstützung von Arbeitsuchenden. Er kann für verschiedene Maßnahmen eingesetzt werden:

  • Coaching und Qualifizierung: Maßnahmen zur Heranführung an den Arbeitsmarkt oder zur Beseitigung von Vermittlungshemmnissen.
  • Private Arbeitsvermittlung: Der AVGS kann für die Inanspruchnahme privater Arbeitsvermittler genutzt werden. Für ALG-I-Empfänger besteht nach sechs Wochen Arbeitslosigkeit ein Rechtsanspruch auf den AVGS; für ALG-II-Empfänger liegt die Vergabe im Ermessen des Jobcenters.

3. Digitalisierung und Bürokratieabbau

Die Koalition strebt eine stärkere Digitalisierung der Arbeitsvermittlung an. Dazu gehört die Einführung eines digitalen Bürokratieportals, über das bürokratische Hemmnisse gemeldet und Verbesserungsvorschläge eingereicht werden können. Zudem sollen Verwaltungsvorschriften reduziert und Dokumentationspflichten abgebaut werden, um die Arbeit der BA und der Jobcenter zu erleichtern.


4. Finanzielle Ausstattung der Jobcenter

Die Jobcenter sollen ausreichend Mittel erhalten, um ihre Vermittlungs- und Unterstützungsleistungen effektiv erbringen zu können. Gleichzeitig wird eine Überprüfung der Wirksamkeit bestehender Instrumente und Strukturen angekündigt.


5. Anreize zur Erwerbsaufnahme

Um den Übergang von der Grundsicherung in Beschäftigung zu erleichtern, plant die Koalition die Reform von Hinzuverdienstregeln und Transferentzugsraten. Ziel ist es, finanzielle Anreize für die Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit zu schaffen.

Erst einmal abwarten…

Wie jede Regierung sollte man auch dieser die berühmten 100 Tage gewähren, um sich einzuarbeiten und erste Ergebnisse zu liefern. Auch wenn es dann genau in die Sommerpause hereinkommt… Wirtschafts ist bekanntlich vor allem Psychologie, und ein neuer Kanzler Merz kann vielleicht zumindest für eine bessere Stimmung sorgen, die sich dann in tatsächlichen Resultaten und mit einer gewissen Verzögerung auch in besseren Arbeitsmarktdaten widerspiegelt. Der AVGS wäre jetzt eigentlich das ideale Instrument, um marktwirtschaflich Impulse in einer bessere und schneller Vermittlung einfließen zu lassen. Leider ist er in den letzten Jahren vernachlässigt wurden. Ein erster Schritt wäre eine Anhebung auf ein marktübliches Niveau.

Deutscher Arbeitsmarkt 2024 war schwach

Das Jahr 2025 hat begonnen – Zeit für einen kurzen Rückblick. Was haben die vergangenen zwölf Monate für die Beschäftigung gebracht?

Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland im Jahr 2024 zeigt eine deutliche Verschlechterung, die sich vor allem in einem Anstieg von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung bemerkbar macht. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen um 178.000 auf insgesamt 2.787.000 Personen. Auch die Unterbeschäftigung, die neben der Arbeitslosigkeit auch Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik sowie vorübergehende Arbeitsunfähigkeit einschließt, stieg merklich um 130.000 auf 3.578.000 Personen an. Diese Zahlen spiegeln die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt wider und stehen im Zusammenhang mit einer insgesamt schwachen konjunkturellen Entwicklung in Deutschland.

Wirtschaftliche Unsicherheit – weniger Einstellungen

Die wirtschaftliche Situation im Jahr 2024 war geprägt von einer anhaltenden Unsicherheit, die vor allem durch externe Faktoren wie geopolitische Spannungen, steigende Energiepreise und die nach wie vor spürbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie verstärkt wurde. Diese Entwicklungen belasteten insbesondere die exportorientierten Sektoren der deutschen Wirtschaft. Das Produzierende Gewerbe verzeichnete einen merklichen Rückgang, was sich negativ auf die Beschäftigung in diesem Bereich auswirkte. Gleichzeitig waren die Dienstleistungsbranchen weiterhin ein Stabilitätsanker, da sie durch einen anhaltenden Bedarf in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Informationstechnologie gestützt wurden.

Um die Beschäftigung zu sichern, setzten viele Unternehmen vermehrt auf Kurzarbeit. Nach einer ersten Schätzung lag die durchschnittliche Zahl der Kurzarbeiter im Jahr 2024 bei rund 320.000, verglichen mit 241.000 im Vorjahr. Diese Maßnahme half, größere Entlassungswellen zu verhindern, unterstreicht jedoch die Fragilität der wirtschaftlichen Lage. Besonders kleinere und mittelständische Unternehmen standen unter Druck, da sie oft weniger Ressourcen hatten, um konjunkturelle Schwankungen abzufedern.

Trotz der Herausforderungen stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weiter an, allerdings deutlich langsamer als in den Vorjahren. Von Juni 2023 bis Juni 2024 erhöhte sich diese Zahl um 128.000 auf 34,84 Millionen. Bemerkenswert ist, dass dieses Wachstum vollständig auf die Beschäftigung von Ausländern zurückzuführen ist. Dieser Trend zeigt die zunehmende Bedeutung ausländischer Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt, insbesondere in Branchen, die von einem Fachkräftemangel betroffen sind. Gleichzeitig verdeutlicht er aber auch, dass das inländische Arbeitskräftepotenzial nicht in gleichem Maße mobilisiert werden konnte.

Die schwache konjunkturelle Dynamik wurde auch durch strukturelle Probleme verstärkt. Der Fachkräftemangel, der bereits in den Vorjahren ein zentrales Thema war, blieb 2024 ein Hemmnis für das Wachstum in vielen Bereichen. Hinzu kamen Unsicherheiten bei der Transformation hin zu einer nachhaltigeren und digitaleren Wirtschaft, die Investitionen und Innovationsfähigkeit der Unternehmen bremsten. Die hohen Energiepreise belasteten vor allem energieintensive Industrien, die bereits unter internationalem Wettbewerbsdruck stehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Arbeitsmarkt im Jahr 2024 durch ein schwieriges gesamtwirtschaftliches Umfeld geprägt war. Während die Dienstleistungsbranchen Stabilität boten, litt die deutsche Industrie unter konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen. Der Anstieg von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sowie die verstärkte Nutzung von Kurzarbeit sind Ausdruck dieser schwierigen Lage. Gleichzeitig zeigt das verlangsamte Beschäftigungswachstum, dass die wirtschaftlichen Herausforderungen nicht nur kurzfristiger Natur sind, sondern auch langfristige Maßnahmen erfordern, um den Arbeitsmarkt widerstandsfähiger und zukunftssicher zu machen.

Vermittlungsgutschein wird immer weniger genutzt

Der Vermittlungsgutschein (AVGS-MPAV), der 2002 zunächst befristet eingeführt wurde, ist ein Instrument zur Unterstützung von Arbeitsuchenden. Ziel ist es, Arbeitslose beim Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu unterstützen und gleichzeitig den Wettbewerb zwischen öffentlicher und privater Arbeitsvermittlung zu fördern. Der Gutschein richtet sich vor allem an Arbeitslose, die Arbeitslosengeld beziehen und die mindestens sechs Wochen arbeitslos waren, ohne eine neue Anstellung zu finden. Diese Personengruppe hat unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf den Vermittlungsgutschein und kann damit eine private Arbeitsvermittlung ihrer Wahl in Anspruch nehmen.

Funktionsweise und Anforderungen des Vermittlungsgutscheins

Arbeitslose, die den Gutschein erhalten, können ihn bei einer zugelassenen privaten Arbeitsvermittlung einlösen. Die Vermittlungsdienste umfassen sowohl die Vorbereitung der Arbeitsvermittlung, wie die Feststellung der vorhandenen Qualifikationen, als auch die Durchführung der eigentlichen Stellenvermittlung. Erst nach einer erfolgreichen Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird die private Arbeitsvermittlung vergütet. Die reguläre Vergütung beträgt 2.500 Euro und kann in bestimmten Fällen, wie bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen oder Menschen mit Behinderungen, auf bis zu 3.000 Euro ansteigen. Diese Zahlung erfolgt gestaffelt: 1.250 Euro nach einer sechswöchigen Beschäftigungsdauer und der verbleibende Betrag nach sechs Monaten, sofern das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Damit eine erfolgreiche Vermittlung mit dem Gutschein abgerechnet werden kann, muss das Arbeitsverhältnis spezifische Bedingungen erfüllen: Es darf nicht von Beginn an auf weniger als drei Monate begrenzt sein, muss mindestens 15 Wochenstunden umfassen und darf kein Minijob sein. Zusätzlich darf die vermittelte Person nicht zum selben Arbeitgeber zurückkehren, bei dem sie zuletzt angestellt war; für solche Fälle gibt es zeitliche Einschränkungen.

Gründe für die sinkende Nutzung des Vermittlungsgutscheins

Obwohl der Vermittlungsgutschein ursprünglich als bedeutendes arbeitsmarktpolitisches Instrument eingeführt wurde, ist die Nutzung in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Während im Jahr 2013 noch rund 43.000 dieser Gutscheine eingelöst wurden, fiel diese Zahl bis 2022 auf knapp 4.000. Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig: Einerseits sehen private Arbeitsvermittlungen die Vergütung als zu niedrig und beklagen, dass die bürokratischen Hürden und die restriktiven Zahlungsbedingungen die Abrechnung und damit die Wirtschaftlichkeit der Dienstleistung erschweren. Arbeitsuchende selbst könnten den Markt für private Arbeitsvermittlungen als wenig transparent oder unattraktiv empfinden, da viele Vermittlungsdienste ihre Effizienz nur bedingt unter Beweis stellen konnten. Zudem könnten Arbeitsagenturen und Jobcenter dem Vermittlungsgutschein ein eher geringes Erfolgspotential zuschreiben, da nur ein kleiner Teil der ausgegebenen Gutscheine tatsächlich eingelöst wird.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist der Rückgang der Arbeitslosenzahlen in Deutschland. Zwischen 2013 und 2022 sank die Zahl der Arbeitslosen von rund 3 Millionen auf 2,4 Millionen, was ebenfalls zur geringeren Nachfrage nach arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumenten wie dem Vermittlungsgutschein beigetragen haben könnte.

Erfolg und Langfristigkeit der Vermittlungen

Trotz des Rückgangs bei der Inanspruchnahme gibt es Hinweise darauf, dass der Vermittlungsgutschein für einige Arbeitsuchende durchaus eine nachhaltige Perspektive bietet. Die Statistik zeigt, dass etwa die Hälfte der vermittelten Beschäftigten mit bewilligtem Gutschein nach mindestens sechs Monaten noch im Arbeitsverhältnis verbleibt. Insgesamt blieben im Zeitraum von Oktober 2020 bis September 2021 rund drei Viertel aller Personen, die aus der Arbeitslosigkeit in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit wechselten (mit oder ohne Gutschein), für mindestens sechs Monate durchgängig beschäftigt – allerdings nicht zwangsläufig beim gleichen Arbeitgeber.

Wettbewerb zwischen öffentlicher und privater Arbeitsvermittlung

Ein Ziel des Vermittlungsgutscheins ist es, den Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Arbeitsvermittlungen zu stärken. Dies soll dazu beitragen, die Effizienz im Bereich der Arbeitsvermittlung zu erhöhen und Arbeitslosen mehr Eigenverantwortung zu geben. Für Arbeitgeber kann die Zusammenarbeit mit privaten Arbeitsvermittlern von Vorteil sein, da sie den Aufwand für die Personalrekrutierung reduzieren kann. Private Arbeitsvermittler, die den Gutschein einlösen, können sowohl gewinnorientierte als auch gemeinnützige Unternehmen sein, die neben der Arbeitsvermittlung teilweise zusätzliche Dienstleistungen wie Weiterbildung oder Beratung anbieten. Diese ergänzenden Leistungen können jedoch nicht über den Vermittlungsgutschein abgerechnet werden.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Vermittlungsgutschein trotz seiner ursprünglichen Bedeutung an Relevanz verloren hat. Die Nutzung ist aus verschiedenen strukturellen und institutionellen Gründen rückläufig, während der allgemeine Rückgang der Arbeitslosenzahlen eine verringerte Nachfrage nach Vermittlungsdienstleistungen zur Folge hat. Dennoch bleibt der Gutschein für bestimmte Personengruppen ein nützliches Mittel, um in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Angesichts des derzeitigen wirtschaftlichen Abschwungs in Deutschland, insbesondere auch im Industriesektor, ist jedoch mit einer Zunahme der Nachfrage nach Vermittlungsgutscheinen zu rechnen.

Zehn Prozent weniger offene Stellen als vor einem Jahr

Im ersten Quartal 2024 wurden bundesweit 1,57 Millionen vakante Stellen registriert. Im Vergleich zum Vorquartal sank die Anzahl der offenen Positionen um etwa 158.000, was einem Rückgang von rund 9 Prozent entspricht. Verglichen mit dem ersten Quartal 2023 zeigt sich ein ähnlicher Rückgang mit einem Minus von 180.000 oder rund 10 Prozent. Dies geht aus der IAB-Stellenerhebung hervor, einer regelmäßigen Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Der Arbeitsmarkt zeigte sich im ersten Quartal deutlich abgekühlt“, erklärte Arbeitsmarktforscher Alexander Kubis.

In Westdeutschland waren im ersten Quartal 2024 1,28 Millionen Stellen zu besetzen, in Ostdeutschland 285.000. Auf 100 ausgeschriebene Stellen kamen bundesweit im ersten Quartal 2024 etwa 180 arbeitslos gemeldete Personen, was im Vergleich zum Vorquartal und Vorjahresquartal ein Anstieg von rund 30 Arbeitslosen bedeutet. Das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen lag somit bei 1,8. In Ostdeutschland kamen durchschnittlich 230 und in Westdeutschland 170 arbeitslos gemeldete Personen auf 100 offene Stellen. „Der Anstieg ist in beiden Regionen eine Folge der saisonbereinigt weiter gestiegenen Arbeitslosigkeit sowie der sinkenden Zahl an offenen Stellen“, erläutert IAB-Arbeitsmarktforscher Alexander Kubis.

Der primäre und sekundäre Sektor zusammen – also die Bereiche Landwirtschaft, Bergbau, verarbeitendes Gewerbe, Bau-, Wasser- und Energiewirtschaft – verzeichneten mit rund 328.000 offenen Stellen einen Rückgang von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal und 19 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Im Dienstleistungsbereich – dem sogenannten tertiären Sektor – fiel der Rückgang mit minus 8 Prozent zum Vorjahresquartal und minus 6 Prozent zum Vorquartal auf 1,24 Millionen offene Stellen hingegen etwas moderater aus. „Mit Ausnahme der öffentlichen Verwaltung, des Bereichs Information und Kommunikation sowie dem Handel sind auch hier die meisten Betriebe bei Neueinstellungen derzeit zurückhaltender als noch vor einem Jahr“, so Kubis weiter.

Quelle: IAB

Immer mehr Angestellte im Öffentlichen Dienst


In Deutschland verzeichnete der öffentliche Dienst von 2006 bis 2022 eine stetige Zunahme seiner Mitarbeiterzahl, trotz einer weitgehend gleichbleibenden Bevölkerung. Im Jahr 2006 lag die Anzahl der Angestellten bei 4576,0 Tausend und stieg kontinuierlich an, erreichte 2022 jedoch einen Höchststand von 5206,0 Tausend.

Diese Zunahme deutet auf ineffiziente Ressourcennutzung hin, der wachsende Bürokratieapparat ist gerade in Zeiten eines angeblichen Fachkräftemangel nicht plausibel. Trotz der Bemühungen, die öffentlichen Ausgaben zu kontrollieren, scheint der öffentliche Dienst in Deutschland weiter zu expandieren, was auf ineffektive Verwaltungsstrukturen und mangelnde Reformen zurückzuführen ist.

Beschäftigung Öffentlicher Dienst in Deutschland Statistik

Der kontinuierliche Anstieg der Mitarbeiterzahl gleichbleibender Bevölkerungszahl wirft Fragen zur Effizienz und Nachhaltigkeit des öffentlichen Sektors auf. Es ist wichtig, diese Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um eine übermäßige Bürokratisierung zu vermeiden und die Effizienz der öffentlichen Verwaltung zu verbessern.

Vermittlungsgutschein kaum noch bei Arbeitsvermittlern genutzt

Die aktuellste Statstik (die Werte für 2023 werden erst im April veröffentlich) zeigen ein trauriges Bild: Die Nutzung der Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine, eingelöst bei Trägern der privaten Arbeitsvermittlung (AVGS-MPAV), ist auf einen Tiefststand von nur noch 3819 für das gesamte Jahr 2022 gesunken.

Wie ist dies zu erklären bei einer nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit (typischerweise wird der AVGS gerade von Personen nachgefragt, die trotz Fachkräftemangel Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben)? Vor zehn Jahren waren das die Zahlen für zwei Monate.

Sicherlich gibt es hier mehrere Gründe: Die Gutscheine werden trotz einer Rekordinflation nicht angepasst, sind dadurch für Private Arbeitsvermittler unattraktiver geworden. Auch scheint die Arbeitsagentur hier gezielt darauf hinzuwirken, das dieses bewährte Instrument immer weniger eingesetzt wird: Möglicherweise werden in Frage kommende Arbeitssuchende überhaupt nicht über diese Möglichkeit informiert.

Gerade bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt wäre es sehr sinnvoll, mehr AGVS zu genehmigen.

IAB-Experte Enzo Weber zum Abschwung am Arbeitmarkt

Nachdem die deutsche Wirtschaft bereits im Winterhalbjahr 2022/23 leicht geschrumpft ist, hat sie die Wachstumsschwäche auch im Frühjahr nicht überwinden können und stagniert seither. Enzo Weber, Leiter des Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ am IAB, spricht im Interview über die aktuelle IAB-Prognose zur Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt.

Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen (also nicht wortwörtlich), das komplette Interview kann hier nachgelesen werden:

Zur prognostizierten Erholung der deutschen Wirtschaft

Der Wirtschaftsabschwung hat sich in Deutschland festgesetzt. Die Inflation befindet sich immer noch auf hohem Niveau und fällt nur langsam, während die Zinsen steigen. Das beeinträchtigt natürlich den Konsum und auch das Baugewerbe. Hinzu kommt eine schwache Auslandsnachfrage. Die Erholung der Konjunktur setzt aus all diesen Gründen später ein, als wir noch zu Jahresbeginn angenommen hatten. Für dieses Jahr prognostizieren wir dementsprechend jetzt einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 0,6 Prozent.

Optimismus für 2024 berechtigt?

Ja, davon gehen wir aus. Für nächstes Jahr erwarten wir eine niedrigere Inflation und damit einhergehend auch wieder eine wirtschaftliche Erholung mit einem Wachstum von 1,1 Prozent. Die Konjunkturdynamik sollte global wieder anziehen, und damit auch unser Außenhandel. Auch die Industrieproduktion dürfte sich wieder erholen. Die hohen Tarifabschlüsse und die Inflationsprämien unterstützen den Konsum. Das gilt auch für das neu eingeführte Bürgergeld. Es wird im Jahr 2024 noch einmal erhöht und unterstützt einkommensschwächere Haushalte.

Lässt der aktuell noch anhaltende Wirtschaftsabschwung die Arbeitslosigkeit wieder steigen?

Der Arbeitsmarkt wird durch den anhaltenden Wirtschaftsabschwung natürlich beeinträchtigt. Gemessen an der schwachen Konjunktur hält er sich aber vergleichsweise gut. Die Zahl der Arbeitslosen wird unseren Prognosen zufolge dennoch um 190.000 in diesem und um 60.000 Personen im kommenden Jahr zunehmen. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer signalisiert in den nächsten Monaten eine ungünstige Entwicklung für die Arbeitslosigkeit. Dies liegt auch daran, dass viele Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit noch an Integrationskursen und anderen Maßnahmen teilnehmen und anschließend auf Jobsuche gehen werden. Ich sehe aber die größere Herausforderung bei der Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit.

Die Arbeitslosigkeit von Niedrigqualifizierten liegt deutlich über dem Stand von 2019. Und trotzdem wächst die Beschäftigung?

Die Erwerbstätigkeit reagiert in Deutschland seit der Weltfinanzkrise im Jahr 2009 wesentlich robuster auf konjunkturelle Schwankungen als davor. Angesichts der gestiegenen Arbeitskräfteknappheit versuchen viele Betriebe, ihre Beschäftigten selbst in konjunkturellen Schwächephasen zu halten. Diese grundsätzliche Stabilität kommt dem Arbeitsmarkt auch bei der Verarbeitung des wirtschaftlichen Schocks infolge des Krieges gegen die Ukraine zugute. Wir gehen davon aus, dass sich der Aufwärtstrend bei der Beschäftigung fortsetzen wird – aufgrund des nun mehrere Quartale anhaltenden Wirtschaftsabschwungs gibt es aber zunächst einen Dämpfer.

Wie bewertet er den sehr hohen Arbeitskräftebedarf in einigen Branchen?

In der Pflege steigt der Bedarf aufgrund der alternden Bevölkerung, in der Bildung durch den Ausbau von Kindertagesstätten, im Handwerk unter anderem wegen der Energiewende und in der IT im Zuge der Digitalisierung. Allerdings wird das Beschäftigungswachstum langfristig durch Personalmangel in vielen Bereichen begrenzt.

Die Herausforderungen der deutschen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes

Die deutsche Wirtschaft hat im Winterhalbjahr 2022/23 einen leichten Rückgang verzeichnet und konnte diese Wachstumsschwäche auch im Frühjahr nicht überwinden, was zu einer anhaltenden Stagnation geführt hat. Enzo Weber, Leiter des Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ am IAB, gibt in diesem Interview Einblick in die aktuelle IAB-Prognose zur Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes.

Optimistischer Ausblick für 2024

Können wir für das Jahr 2024 optimistischer sein? Ja, das ist durchaus möglich. Für das kommende Jahr erwarten wir eine niedrigere Inflation, was wiederum eine wirtschaftliche Erholung mit einem Wachstum von 1,1 Prozent zur Folge haben sollte. Die weltweite Konjunktur dürfte sich wieder beleben, was sich positiv auf unseren Außenhandel auswirken wird. Auch die Industrieproduktion sollte wieder Fahrt aufnehmen. Die hohen Tarifabschlüsse und die Inflationsprämien werden den Konsum weiterhin stützen. Dies gilt auch für das neu eingeführte Bürgergeld, das im Jahr 2024 erneut erhöht wird und einkommensschwächere Haushalte unterstützt.

Arbeitslosigkeit in Zeiten des anhaltenden Wirtschaftsabschwungs

Natürlich wird der Arbeitsmarkt durch den anhaltenden wirtschaftlichen Abschwung beeinflusst. Im Vergleich zur schwachen Konjunktur hält er sich jedoch vergleichsweise gut. Unsere Prognosen zeigen dennoch, dass die Arbeitslosenzahlen in diesem Jahr um 190.000 und im kommenden Jahr um 60.000 Personen steigen werden. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer signalisiert in den nächsten Monaten eine ungünstige Entwicklung in Bezug auf die Arbeitslosigkeit. Dies hängt auch damit zusammen, dass viele Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit an Integrationskursen und anderen Maßnahmen teilnehmen und anschließend auf Jobsuche gehen werden. Die größte Herausforderung sehe ich jedoch in der Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit.

Langzeitarbeitslosigkeit als Herausforderung

Warum ist das so? Die Jobchancen für Arbeitslose sind seit Beginn der Pandemie gesunken und haben sich seitdem nicht wieder erholt. Demzufolge liegt die Langzeitarbeitslosigkeit deutlich über dem Niveau vor der Pandemie, obwohl wir insgesamt einen hohen Bedarf an Arbeitskräften haben. Auch die Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten liegt deutlich über dem Stand von 2019. Dennoch wächst die Beschäftigung. Wie lässt sich das erklären?

Robuste Erwerbstätigkeit in Deutschland

Die Erwerbstätigkeit in Deutschland reagiert seit der Weltfinanzkrise im Jahr 2009 wesentlich stabiler auf konjunkturelle Schwankungen als zuvor. Angesichts des gestiegenen Fachkräftemangels versuchen viele Unternehmen, ihre Mitarbeiter auch in wirtschaftlich schwächeren Phasen zu halten. Diese grundlegende Stabilität wirkt sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Konflikts aus. Wir gehen davon aus, dass der positive Trend bei der Beschäftigung anhalten wird, aber aufgrund des langanhaltenden wirtschaftlichen Abschwungs in den nächsten Quartalen gedämpft wird.

Fazit

Die wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Entwicklung steht angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Schwäche, tiefgreifender Transformationen und des Fachkräftemangels vor zahlreichen Herausforderungen. Die grundlegende Knappheit an Arbeitskräften dürfte sich durch die in den Ruhestand gehenden Babyboomer weiter verschärfen. Der hohe Wettbewerb um Arbeitskräfte bietet jedoch die Möglichkeit, Potenziale auf dem Arbeitsmarkt zu nutzen und die vorhandenen Arbeitskräfte produktiver einzusetzen. Die grüne Transformation und die fortschreitende Digitalisierung bringen Chancen für Innovation, Technologieentwicklung und neue Wertschöpfung mit sich. Hierfür ist ein umfassendes Transformationsprogramm erforderlich, das auf Investitionsförderung, Infrastruktur, Kompetenzentwicklung und Datenpolitik setzt und gleichzeitig die Fachkräftesicherung gewährleistet.

Fachkräftemangel in IT-Branche nimmt weiter zu

Im vergangenen Jahr erreichte der Fachkräftemangel in IT-Berufen in Deutschland ein neues Rekordniveau. Insgesamt gab es im Jahr 2022 bundesweit durchschnittlich 67.924 offene Stellen im Bereich der Informationstechnik – so viele wie noch nie seit Beginn der Beobachtungsperiode im Jahr 2010, wie das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) am Donnerstag berichtete. Gleichzeitig gab es nur 27.136 arbeitslose Personen mit einer IT-Qualifikation.

Die Kofa-Experten berichteten, dass der Bedarf an qualifizierten Fachkräften in der Branche aufgrund des zunehmenden Ausbaus der digitalen Infrastruktur in allen Wirtschaftsbereichen steigt. Bereits seit 2015 konnten nicht mehr alle Stellen in IT-Berufen mit qualifizierten arbeitslosen Personen besetzt werden. Während der Corona-Pandemie kam es zwar vorübergehend zu einem Rückgang der Zahl der offenen Stellen. Doch seit 2021 ist die Zahl wieder deutlich gestiegen.

Insbesondere Fachkräfte mit Hochschulabschluss gesucht

Zehntausende Fachkräfte fehlen Laut der Studie besteht insbesondere ein großer Mangel an Expertinnen und Experten mit einem Hochschulabschluss. Im vergangenen Jahr fehlten allein fast 34.000 Fachkräfte in diesem Bereich. Für acht von zehn offenen Stellen auf diesem Qualifikationsniveau gab es laut Kofa keine qualifizierten arbeitslosen Personen. Die Kofa-Experten betonten, dass sich diese Lücke kurz- bis mittelfristig auch nicht durch Absolventinnen und Absolventen von Studiengängen schließen lässt. Da die Zahl der Studierenden in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik in den ersten Hochschulsemestern in den vergangenen Jahren abgenommen hat, ist sogar mit einem weiteren Rückgang der Absolventenzahlen zu rechnen.

Eine Möglichkeit für Unternehmen im Kampf gegen den Fachkräftemangel in der IT-Branche besteht in der Rekrutierung von IT-Fachkräften aus dem Ausland. Eine vielversprechende Strategie ist jedoch auch, Quereinsteigern aus anderen Berufsgruppen und Aufsteigern von niedrigeren Qualifikationsniveaus eine Chance zu geben.

Tolle Chancen für Quereinsteiger

Der hohe Anteil an Quereinstiegen zeigt, dass Unternehmen, die IT-Experten suchen, auf den Fachkräftemangel reagieren und überdurchschnittlich viele Quereinsteiger und berufliche Aufsteiger einstellen. Dies ist zum einen durch den enormen Druck aufgrund des Fachkräftemangels bedingt, wird aber auch dadurch begünstigt, dass der Einstieg für Quereinsteiger in IT-Berufen vergleichsweise leichter ist als in anderen Berufsfeldern. In IT-Akademikerberufen scheinen Berufserfahrung sowie non-formale und informelle Bildung eine größere Bedeutung zu haben als in anderen Berufen. Solche Qualifikationen lassen sich mitunter bereits mit Maßnahmen erwerben, die durch einen Bildungsgutschein finanzierbar sind.

Die kontinuierliche Weiterbildung ist in IT-Berufen seit Langem fest etabliert, wodurch Beschäftigte die Möglichkeit haben, sich neben dem Beruf weiterzubilden, beispielsweise im Rahmen arbeitsprozessorientierter Weiterbildungsprogramme. Gerade für Quereinsteiger kann das Lernen in der Arbeitsumgebung den Einstieg erleichtern.

Die Bedeutung von außerhalb der formalen Erstausbildung erworbenen IT-Kompetenzen spiegelt sich auch im Fachkräfteeinwanderungsgesetz wider, das für IT-Berufe eine Ausnahmeregelung vorsieht. Bei internationalen IT-Fachkräften hängen die Einwanderungsmöglichkeiten weniger stark von formalen Bildungsabschlüssen ab, sondern berufspraktische Kenntnisse spielen eine zentrale Rolle.