Unter dem etwas sperrigen Titel „Denkschrift zum neuen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein AVGS MPAV Entwicklung seit der Instrumentenreform 2012“ wird Endes des Monats September 2012 erstmals eine umfassende Betrachtung der jüngsten Reform des Vermittlungsgutscheins in Buchform auf den Markt kommen.
Die Autoren Dorothea Hegele, Thomas Krug, Dirk Feiertag und Thomas Bloch bringen hierbei vollkommen unterschiedliche berufliche Hintergründe ein. Zwei Gemeinsamkeiten sind jedoch erkennbar: Alle leben sie in Leipzig, und alle sind mit der Reform des Vermittlungsgutscheins, der nun als Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein firmiert, nicht sonderlich zufrieden.
Bei dem Buch handelt es sich weniger um eine klassische Monographie, sondern eher um eine Mischung aus kritischen Anmerkungen, rechtlichen Synopsen und reichlich Dokumenten aus der tagtäglichen Auseinandersetzung zwischen Privaten Arbeitsvermittlern, Arbeitssuchenden und der Bundesagentur für Arbeit.
Was wird von den Autoren kritisiert? Die wichtigsten Fehlentwicklungen werden gleich zu Beginn des Buches als eine „Einführung in die Problemlage“ in Form von 12 Kernproblemen und einigen „weiteren Problemen“ abgehandelt. Ein paar Beispiele, die die Autoren aus ihrer eigenen beruflichen Praxis und durch umfangreiche Recherche ermitteln konnten:
- Die Bundesagentur für Arbeit belehre die Arbeitssuchenden, dass sie keinen Vermittlungsvertrag abschließen sollen. Dies führe zu großer Rechtsunsicherheit, denn die Arbeitssuchenden würden einen solchen Vertragsabschluss aus Angst vor Sanktionen verständlicherweise meiden. Private Arbeitsvermittler dürfen ohne Vertrag jedoch nicht tätig werden!
- Gängige Praxis sei mittlerweile eine zeitliche Beschränkung der Gültigkeit des AVGS, obwohl im Gesetz lediglich in Form einer Kann-Regelung die Möglichkeit einer solchen vorgegeben ist. Eine Anweisung von Höchstgrenzen zwischen drei und sechs Monaten durch die Bundesagentur sei nach Auffassung der Autoren „mangels Rechtsetzungskompetenz rechtswidrig und aufzuheben“.
- Auch die regionale Einschränkung, in der die Gültigkeit des AVGS auf Vermittlungen im Wohnort des Arbeitssuchenden beschränkt werden und/oder sogar Sitz des PAV die Auszahlung der Vermittlungsprämie möglich oder unmöglich machen, wird im Buch, das inklusive Anlagen 185 Seiten umfasst, kritisiert. „Gerade diese willkürliche Festlegung des Arbeits- und damit einhergehend unter Umständen auch des Wohnortes nach freiem Ermessen durch Mitarbeiter der deutschen Arbeitsverwaltung ist verfassungswidrig.“, so die Analyse des Autorenteams.
- Kritisiert wird ebenso die neue und für den Arbeitssuchenden sehr ungünstige Regelung, dass der Arbeitsbeginn in der Gültigkeitsdauer des AVGS MPAV liegen muss, wo bisher das Vorliegen einer Einstellungszusage oder die Unterzeichnung des Arbeits-vertrages ausreichend war.
Unsere Meinung zur Denkschrift zum neuen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein: Die Autoren haben diese und viele weitere Verschlechterungen gefunden. Diese werden sicherlich nicht dafür sorgen, dass über den Vermittlungsgutschein eine nennenswerte Zahl von Arbeitsuchenden eine Chance auf eine sozial-versicherungspflichtige Beschäftigung erhalten wird. Der Status vor der April-Reform war in vielen Punkten sogar vorteilhafter.
Durch die Neuregelungen werden gleich zwei Gruppen belastet: Arbeitssuchenden wird ein bewährtes und relativ unbürokratisches Förderinstrument entzogen, um einen neuen Job zu finden. Und nicht zu vergessen: viele Private Arbeitsvermittler sehen sich mit massiven Existenzsorgen konfrontiert, da der AVGS oft die Haupteinnahmequelle dargestellt hat und seit der Reform massive Umsatzrückgänge unterstellt werden können – auch wenn hierzu noch keine verlässlichen Zahlen vorliegen. Das Buch richtet sich an Praktiker, kritische Leistungsempfänger und ein arbeitsmarktpolitisch interessiertes Publikum. Es handelt sich nicht um eine „leichte Kost“, insbesondere Private Arbeitsvermittler werden sich über dieses neue Standardwerk freuen – denn Alternativen finden sich auf dem Büchermarkt derzeit nicht. Und das seitens der Bundesagentur für Arbeit zu Verfügung gestellte Informationsmaterial ist mangelhaft.
Die Leipziger Autoren haben einen Anstoß geliefert, um diese Problematik in die Öffentlichkeit zu bringen. Die sich gerade verschlechternde Arbeitsmarktkonjunktur wird ihren Teil dazu beitragen, dass Arbeitsmarktpolitik wieder verstärkt in den Medien aufgegriffen werden wird. Und ein sich daraus entwickelnder öffentlicher Diskurs sollte hoffentlich mit dazu beitragen, dass die Bundesagentur für Arbeit einige mehr als zweifelhafte Praktiken einstellt. Im Endeffekt könnte auch eine Nachbesserung der unklar formulierten Gesetzestexte dafür Sorge tragen, das nachweisbar wirksame Instrument „Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein“ zum Nutzen der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder nennenswert einzusetzen.
Vielen Dank noch einmal für die ehrliche Rezension! MfG Krug
Weitere Infos und Bestellformular unter http://www.denkschrift-vermittlungsgutschein.de
Sehr schön, dass endlich etwas „Schwung“ in die Debatte kommt! Man muss politischen Druck ausüben, damit der AVGS nicht bewusst unattraktiv gehalten wird.
Sehr geehrte Autorin, sehr geehrte Autoren von“Buchrezension „Denkschrift zum neuen AVGS“,
klasse, das Sie sich diesem Thema widmen und ich diese Plattform für meine private Äußerung nutzen kann.
Ich bin, seit dem das Gesetz der privaten Arbeitsvermittlung 1994 in Kraft getreten ist, in dieser Tätigkeit und hatte zu Beginn eine Eignungsprüfung zu bestehen,die mit einem Zertifikat bestätigt wurde,das damals mit hohen Kosten einher ging.
2002 kam der VGS und der Markt füllte sich mit privaten Arbeitsvermittlern.
Die Zertifizierung für die privaten Arbeitsvermittler wurde nun über Jahre nicht mehr verlangt, bis zum Zeitpunkt der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung =AZAV. Was denken sich die Verantwortlichen eigentlich? Obwohl ich diese Arbeit seit 1994 durchführe,brauche ich jetzt wieder nach fast 19 Jahren eine Genehmigung, die Jahr für Jahr bestätigt werden muss. Die Zertifizierung hat einen hohen wirtschaftlichen Aufwand und der Nutzen der AVGS ist lächerlich, denn es kann u.a. eine von den MA der Bundesagentur/ Jobcenter territoriale Einschränkung des AVGS einfach mal so platziert werden und die Sicherheit, die sich durch den früheren VGS auf alle 16 Bundesländer erstreckte, ist der Willkür zum Opfer gefallen.
Ich sehe die ganze Aktion als wettbewerbswidrig an und finde es eine Unverschämtheit, 4500,-€ für eine Zertifizierung, die dann nach 12 Monaten wieder bestätigt werden muss, angeboten zu bekommen. Das dazu Fördermittel für die BL in unterschiedlicher %-Zahl angeboten werden, ist ebenfalls für mich bedenkenswert.
Ich sehe keine Verbesserung mit diesem neuen AVGS, weder für die Arbeitssuchenden noch für die privaten Arbeitsvermittler.
Die Vermutung, dass der VGS/AVGS durch diverse Maßnahmen „unnattraktiv“ gemacht werden soll, ist nicht von der Hand zu weisen. Hoffentlich findet jetzt, angesichts des sich verschlechternden Arbeitsmarkts, ein Umdenken statt.